Was die Musik erzählt
Der musikalische Leiter Thomas Rösner im Gespräch über die Besonderheit von Mozarts Melodien, über Tonarten und deren weitreichende Bedeutung sowie das Romantische in der Zauberflöte.
Rebekka Meyer: Mozarts Zauberflöte gehört zu den meistgespielten Opern überhaupt. Was macht diesen unglaublichen Erfolg aus?
Thomas Rösner: Das Zauberwort ist Universalität. Mozarts Zauberflöte ist ein universelles Stück – und egal, von welcher Seite aus man es beleuchtet, man findet immer etwas, das wieder neu und anders interessieren und faszinieren kann. Man kann Die Zauberflöte auf ein Kinderstück runterbrechen, aber man kann sie auch als hochpolitisches Gesellschaftsdrama der Habsburgerzeit von 1791 beschreiben, mit Kirchenintrigen gegen Freimaurer. Und das sind keine Widersprüche, sondern Ergänzungen. Melodisch gesehen lässt sich die Popularität anhand der Musik von Papageno und der Königin der Nacht gut beschreiben. Die Eingängigkeit von Papagenos «Vogelfängerlied» kommt beispielsweise daher, dass es volkstümliche Musik ist, bei der Mozart so tut, als gäbe es sie schon. Die Volksliedhaftigkeit der Melodien ist so stark, dass ich als Zuhörer das Gefühl habe, diese Melodien bereits zu kennen. Ausserdem ist das Lied harmonisch sehr schlicht und besitzt einen einfachen Text, mit dem sich Papageno vorstellt und der ganz schnell im Kopf und Ohr bleibt. Bei der Königin der Nacht, aber auch anderen Figuren, ist es etwas Anderes. Wirklich nachsingen kann das ja niemand. Da ist es eher die Griffigkeit, die zur Popularität beiträgt. Im Vergleich zu anderen Mozart-Opern ist das allgemein eine Besonderheit der Zauberflöte: Die Nummern sind, mit Ausnahme der zwei grossen Finali, sehr kurz und damit auch fasslich. Nach den grossen Da Ponte-Opern, die sehr ausufernd sind, wurde Mozart in der Zauberflöte wieder schlichter. Er nennt sie zwar «grosse romantische Oper», gleichzeitig ist sie aber dem Singspiel nahe. Dieses Vereinen von scheinbar kompletten Widersprüchen öffnet die Möglichkeit, dass dieses Stück in ganz unterschiedlichen Publikumskreisen und aus ganz unterschiedlichen Gründen so populär werden konnte.
RM: Wollte Mozart sich mit der Bezeichnung «grosse romantische Oper» auch vom Singspiel abheben?
TR: Ich glaube, dass es ihm darum ging, die deutsche Oper zu betonen. Diese gab es zu seiner Zeit ja noch nicht. Die Opernsprache am Hof war – mit Salieri als Hofkomponist – Italienisch, ab und zu mit ein bisschen französischem Gluck. Deutsch hingegen war die Sprache des einfachen Volkes. Die Entführung aus dem Serail, das letzte grosse Werk, das er auf Deutsch geschrieben hat, war tatsächlich noch ein Singspiel. Alle seine anderen Opern sind italienisch. Mit der Zauberflöte sagt er: Man kann Opern auch auf Deutsch schreiben. Das wurde richtungsweisend für Beethoven, Weber und das ganze 19. Jahrhundert. «Romantisch» wiederum betont in Mozarts Sinne das Zauberhafte und Magische, all die für eine Oper ungewöhnlichen Elemente: die drei Knaben, die Tiere, die magische Flöte …
Das gesamte Interview können Sie im aktuellen Programmheft zu «Die Zauberflöte» lesen, welches Sie ab Sonntag, 4. September, an der Theaterkasse kaufen können.