1. Seth Carico, du gastierst das erste Mal in Bern. Hast du schon einen Lieblingsort in der Stadt und im Theater?
Da ich für die Probenzeit eine Wohnung in Muri gefunden habe, verbringe ich meine Zeit am liebsten am Fluss. Ein Spaziergang an der Aare ist die perfekte Möglichkeit, den Kopf zu lüften und frische Luft zu schnappen. Es erinnert mich sehr an meine Heimat in Tennessee.
Mein Lieblingsort im Theater ist momentan der Zuschauerraum. Es ist sehr besonders, an einem Haus zu arbeiten, in dem so viele Aufführungen in den unterschiedlichsten Sparten und an den verschiedensten Orten stattfinden. Seit ich in hier bin, habe ich versucht, alle laufenden Produktionen zu sehen, und das hat sich sehr gelohnt. Die Berner*innen können sich glücklich schätzen, dieses Ensemble hier zu haben.
2. Was ist das Besondere an deiner Rolle Wotan?
Obwohl er ein Gott ist, ist Wotan eine der menschlichsten Figuren, die ich je gespielt habe. Er war gierig, lüstern und ständig rücksichtslos; das hat ihn in die Situation gebracht, in der wir ihn in Die Walküre finden, wo er mit den Folgen seines unüberlegten Verhaltens zu kämpfen hat. Musikalisch ist diese Rolle natürlich ein monumentales Unterfangen. Sie erfordert ein Mass an Disziplin und Durchhaltevermögen, wie ich es persönlich noch nie erlebt habe, und die emotionale Tiefe der Musik ist ergreifend. In der Berner Inszenierung erleben wir ihn noch verletzlicher und holen ihn auf eine Weise auf den Boden der Tatsachen zurück, von der ich hoffe, dass sie für das Publikum nachvollziehbar und bewegend sein wird.
3. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Ewelina Marciniak und Nicholas Carter?
Als Sänger komme ich ursprünglich aus der Welt des Schauspiels; ich mag es nicht, wenn man mir einfach vorschreibt, was ich tun soll. Daher bin ich immer erleichtert, wenn ich mit Regisseur*innen arbeiten darf, die Wert auf die Zusammenarbeit legen, um als Team den richtigen Weg für die Figur zu finden. Ewelina Marciniak war so grosszügig und kooperativ bei unseren Proben. Ich habe das Gefühl, dass die Figur, die wir geschaffen haben, aus meinem Innersten kommt und von Ewelina auf wunderbare Weise verfeinert wurde.
Mit Nicholas Carter arbeite schon seit vielen Jahren, seit unserer gemeinsamen Zeit an der Deutschen Oper Berlin zusammen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass er mein Lieblingsdirigent ist. Es gibt nur sehr wenige wie ihn: Dirigent*innen, die sich die Zeit nehmen, dafür zu sorgen, dass sich jede*r Künstler*in sicher und selbstbewusst fühlt, egal was passiert. Ich bin so dankbar, dass ich diese grossen nächsten Schritte in meiner Karriere mit Nick an meiner Seite gehen darf, und ich kann es kaum erwarten, unsere Arbeit mit Ihnen allen, dem Berner Publikum, zu teilen.