«... folgt ihrem Rate ganz allein.»
Der Regisseur Patrick Schlösser (1971-2017) über seine Inszenierung von Die Zauberflöte anlässlich der Premiere am Stadttheater Klagenfurt 2014.
Auf die Frage «Liebe oder Tod», gestellt von Monostatos, dem Aussenseiter des Stücks, geben Mozart und Schikaneder in ihrem Meisterwerk Die Zauberflöte gleich zweimal eindeutige Antwort. Die drei weisen Knaben verhindern sowohl Paminas als auch Papagenos Selbstmord. Liebe Dich! Und Du bist gerettet.
Für mich als Regisseur beginnt die Reise in die Welt der Zauberflöte lange vor dem eigentlichen Probenbeginn. Immer wieder lege ich die leicht verkratzte Schallplatte auf. Stelle mir den Auftritt der Königin der Nacht aus der Tiefe der Bühne vor. Lausche dem einsam heiteren Charakter eines Papageno und bin fasziniert von seiner charmanten Sprachlosigkeit im Moment der Erfüllung, in dem er seine Papagena endlich gefunden hat. Verfalle dem herrlich klingenden Glockenspiel, als wäre es ein Gesang der Götter. Höre, wie die verborgenen Rätsel um die Zauberflöte aus dem Orchestergraben erklingen. Versinke in die ew’ge Nacht der wandelnden Schatten. Aus all diesen vielen Imaginationen, Erinnerungen und Ideen entsteht über mehrere Jahre das entschlossene Gefühl, Die Zauberflöte inszenieren zu wollen. Es zu dürfen, ist eines der grössten Geschenke, die ein Regisseur bekommen kann.
Mit den drei Knaben jedoch, obwohl sie immer da waren und obwohl ich wusste, dass sie immer da waren, habe ich mich gedanklich über all die Jahre nie beschäftigt. Und genau das ist ihr Geheimnis. Sie sind da, ohne dass wir sie rufen. Sie zeigen den Weg, da wo wir nicht nach dem Weg fragen, aber eine Orientierung dringend bräuchten. Sie reichen die Zauberflöte an, wenn wir vergessen, auf die zarte, wertvolle Stimme im Inneren zu hören. Sie sagen «Halt ein, sei klug! Man lebt nur einmal, dies sei dir genug!»
Wenn uns die grossen Mächte des Lichts und der Dunkelheit die Fragen nach unserem Sein stellen, uns mit den eigenen Ängsten vor dem Nichts und vor der Endlichkeit konfrontieren, Erfüllung oder Erlösung proklamieren, uns sagen, das eine ist richtig, das andere falsch …, so scheinen die drei weisen Knaben die einzig wahren Lotsen zu sein.
Auf die Frage Taminos und Papagenos, wo man die Burg wohl finden könne, antworten die drei Damen musikalisch zauberhaft:
«Drei Knäbchen jung, schön, hold und weise,
umschweben euch auf eurer Reise.
Sie werden eure Führer sein,
folgt ihrem Rate ganz allein.»
Fast möchte man die Frage nach dem Weg zur Burg austauschen und nach dem Weg durchs Leben fragen. Die Antwort der drei Damen wäre nicht weniger wahr.
Zu Beginn des Finales im 2. Akt ist Pamina von Selbstmordgedanken gequält. Die drei Knaben, getroffen von Paminas Todessehnsucht, rufen ihr zu: «Ha Unglückliche! Halt ein! Sollte dies dein Jüngling sehen, würde er vor Gram vergehen, denn er liebet dich allein.» Es ist ein Schlüsselmoment. Die drei Knaben geben Pamina die Liebe zu sich selbst zurück. Mit dieser Liebe im Herzen geht sie zu Tamino, der durch die Prüfungen des Schweigens und des Darbens wie ausgehöhlt und innerlich kalt vor den Schreckenspforten der Feuer- und Wasserprüfung steht. In diesem Moment löst Pamina das Rätsel der Zauberflöte auf. Gemeinsam, nur durch die Lieb’ allein, bestehen sie die nun folgenden Lebensprüfungen.