Sebastian Schwab über Gounods Roméo et Juliette
Roméo et Juliette, opéra en cinq actes – welch ein Titel für eine Oper! Und welch ein Versprechen des Komponisten Charles Gounod! Und ja, Gounod löst dieses Versprechen von Liebesfreud und Liebesleid, von Fröhlichkeit und Tragik, von Festivität und Intimität, vom grossen schwelgerischen Klang und vom Klang der Stille komplett ein. Wir, die Zuschauenden wie die Ausführenden, dürfen uns also auf ein grosses romantisches Spekta- kel, auf eine echte Grand opéra freuen. Wir dürfen uns auch auf einen Komponisten freuen, dessen musikalisch-zeitgenössische Nähe zu Offenbach, Bizet, dem frühen Wagner und Massenet in wunderbarer Weise durchscheint und der in seiner symbolistischen Tonsprache dem frühen Debussy Inspiration gewesen sein mag. Während bei Bellinis I Capuleti e i Montecchi, das wir Ihnen in der Spielzeit 2021/22 präsentieren durften, die Rivalität der verfeindeten Clans im Vordergrund steht, konzentriert sich Gounod schon im Titel auf das Liebespaar Juliette und Roméo. Ihm gelingt es, viele Aspekte einer Liebesbeziehung, das Verlieben, die Begierde, die Lust, die Sehnsucht, das Zaudern, die Wiederversöhnung, das Innehalten der Zeit und noch so vieles mehr in Musik zu setzen. Gesang und Orches- ter verschmelzen auf ganz wunderbare Weise zu einem romantischen Sog, der vom ersten bis zum letzten Takt nicht abreisst – ein dramaturgisches Meisterwerk. Und wir können uns freuen auf die perfektionierte Kunst der französischen Instrumentation, die – ähnlich wie die französische Küche – immer perfekt abgeschmeckt sein muss, in der kein Gewürz zu viel oder zu wenig sein darf, um den Geschmack individuell, aber nicht aufdringlich zu machen. Gounod muss ein Künstler gewesen sein, der echten Genuss kannte und diesen an sein Publikum weitergeben wollte. In diesem Sinne freue ich mich mit Ihnen auf ein genussvolles Erlebnis!