Die wichtigsten Fragen und Antworten zum historischen Hintergrund der Kinderoper Brundibár
Wer war Hans Krása?
Hans Krása war ein jüdischer Komponist. Geboren wurde er 1899 in ein tschechisch-deutsches Elternhaus in Prag. Schon früh fiel sein musikalisches Talent auf und so studierte er später Komposition an der Deutschen Musikakademie Prag bei Alexander Zemlinsky, seinem wichtigsten Mentor. Noch während des Studiums arbeitete er als Korrepetitor und Studienleiter am Neuen Deutschen Theater in Prag. In den 1920er-Jahren beschäftigte sich Krása intensiv mit französischer Musik, vor allem mit Debussy und Ravel, und auch seine eigene Musik konnte in Paris Erfolge feiern. Als Zemlinksy als Musikdirektor an die Berliner Staatsoper wechselte, folgte ihm der junge Komponist, um seine Studien in Berlin fortzusetzen, kehrte aber nur kurze Zeit später enttäuscht nach Prag zurück. Auch ein Aufenthalt in Paris war nur von kurzer Dauer – das Heimweh zog ihn wieder in seine Heimatstadt. Hans Krása produzierte zu seinen Lebzeiten nur wenige Werke, die aber weltweit gespielt wurden. Verlobung im Traum, seine einzige Oper neben Brundibár, wurde 1933 uraufgeführt und gewann den tschechoslowakischen Staatspreis für Komposition. Nach der deutschen Invasion in die Tschechoslowakei 1939 versuchte der Komponist, das Land zu verlassen, doch es war bereits zu spät. 1942 wurde er nach Theresienstadt deportiert, wo er viel komponierte. Im Oktober 1944 wurde er nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.
Wie und wann entstand Brundibár?
Hans Krása und der Librettist Adolf Hoffmeister entwarfen die Kinderoper Brundibár 1938 und reichten das Werk bei einem Wettbewerb des Ministeriums für Schulwesen und Volksbildung ein. Dieser konnte allerdings nicht mehr ausgewertet werden und die Partitur blieb im Ministerium. In Krásas Erinnerungen, die er in Theresienstadt niederschrieb, steht Folgendes zur Entstehung von Brundibár:
«Das schwierigste Problem beim Plan dieser Kinderoper war selbstverständlich das Libretto. Denn die üblichen dramatischen Konflikte, wie erotische, politische oder solche materieller Art, mussten natürlich entfallen. Märchenstoffe lagen weder dem Textdichter noch mir vor. Trotzdem gelang es dem Autor, ein Buch zu schreiben, das kindlich (nicht kindisch) heiter ist und einen Vorgang aus dem realen Leben bringt, in dem unaufdringlich dargestellt wird, dass man gegen das Böse zusammenhalten muss. Im Falle der Kinderoper ist es ein Sängerkrieg zwischen allen Kindern und dem Leierkastenmann.»
Als dann im Juli 1941 der Direktor des jüdischen Waisenhauses in Prag seinen 50. Geburtstag feierte, trafen sich auf dem Fest verschiedene Künstler*innen, darunter Krása, und kamen überein, die bisher ungespielte Kinderoper auf die Bühne zu bringen. Aufgrund zahlreicher Deportationen von Kindern nach Theresienstadt verzögerte sich die Arbeit allerdings und es kam nur eine behelfsmässige Aufführung zustande.
Auch Krása und der Sohn des Direktors, Rudolf Freudenfeld, wurden nach Theresienstadt deportiert. Freudenfeld gelang es, einen Klavierauszug ins Lager zu schmuggeln. Krása arbeitete die Oper dort um: Er schrieb sie neu für jene Instrumente, die ihm dort zur Verfügung standen, kürzte einiges und schob ein Zwischenspiel ein. Es gibt also zwei Fassungen des Werks, eine Prager sowie eine Theresienstädter Fassung.
Wie war das Leben in Theresienstadt?
Theresienstadt war als Konzentrationslager ein Durchgangs- und Sammellager. Viele tschechische Jüdinnen und Juden sowie prominente und alte Menschen, Künstler*innen und jüdische Intellektuelle aus ganz Europa wurden dorthin deportiert und gelockt, oftmals mit dem falschen Versprechen, dort frei leben zu können. Das Leben im Lager war hart, Nahrungsmittel und Medikamente waren knapp und die Räume überfüllt; durchschnittlich verstarben 100 Menschen am Tag. Dennoch herrschte ein reges kulturelles Leben, es wurde musiziert, es gab Opernaufführungen und Konzerte, Kinder wurden unterrichtet. Die Nazis propagierten das Lager als «Vorzeige-Ghetto», zeigten es 1944 einer Delegation des Internationalen Roten Kreuzes und drehten den Propagandafilm Theresienstadt – Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet, in dem das Leben als idyllisch dargestellt wird und in dem auch eine kurze Szene aus Brundibár zu sehen ist. Der jüdische Regisseur und Häftling Kurt Gerron hatte den Befehl erhalten, den Film zu drehen. In Wahrheit wurden fast alle Kinder, Frauen und Männer, die zur Mitwirkung im Film gezwungen wurden, wenig später nach Auschwitz deportiert, darunter auch Kurt Gerron.
Was passierte mit der Kinderoper in Theresienstadt?
Brundibár wurde in Theresienstadt mindestens 55 Mal offiziell und unzählige Male inoffiziell aufgeführt, die Melodien wurden auf den Gängen gesungen und Szenen nachgespielt. Zum Teil wurden die Rollen von Kindern gesungen, die bereits im Prager Waisenhaus Teil der Proben waren. Die Zeitzeugin Eva Hermannová (1929–2017), die den Holocaust überlebte, nach dem Krieg Musikwissenschaften studierte und in den 1990ern als Operndirektorin des Prager Nationaltheaters wirkte, erinnert sich folgendermassen an diese Zeit:
«Ich war vierzehn, die Eltern waren weit weg und mir war bange ums Herz. Als ich erfuhr, dass für den Opernchor Kinder gesucht wurden, bin ich gleich ins L 417 gelaufen. Auf dem Boden mit einem verstimmten Harmonium hatten mich Rudla [Freudenfeld] und Rafík [Schächter] geprüft und ich wurde als Sopran eingesetzt. Heiss war es, es gab viel Staub, wir probten aber mit Begeisterung, obwohl wir oft müde von der schweren Arbeit waren. Plötzlich waren wir woanders, weit weg von der schrecklichen Wirklichkeit. […] Wir haben uns auf jede Vorstellung gefreut. […] Unser abschliessender Siegesmarsch klang mit unvorstellbarer Begeisterung. Wir mussten ihn immer wiederholen und das Publikum hat mit uns gesungen.»
Da die Kinderoper sowohl bei den Mitwirkenden als auch beim Publikum sehr beliebt war, wählte sie die Selbstverwaltung des Lagers 1944 als Vorstellung während der Inspektion durch das Komitee des Internationalen Roten Kreuzes. Die Orte des Lagers, die besucht wurden, wurden einer angeordneten «Verschönerung» unterzogen, gereinigt und neu gestrichen. Tatsächlich liess sich das Komitee dadurch täuschen.
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