Das Böse verstehen, um es zu besiegen
Hans Krásas Kinderoper Brundibár, ab dem 24.05.2025 in der Vidmar 1 zu sehen, erzählt von Fürsorge und Zusammenhalt: Zwei Geschwister müssen Geld verdienen, um für ihre kranke Mutter Milch zu kaufen. Dabei kommt ihnen der Leierkastenmann Brundibár in die Quere, den sie mit Hilfe anderer Kinder am Ende jedoch besiegen können. Das Werk entstand 1938 und gelangte trotz der einsetzenden Deportationen der tschechischen Juden*Jüdinnen 1942 im jüdischen Waisenhaus Warschau im Geheimen zur Uraufführung. Im KZ Theresienstadt wurde die Oper am 23. September 1943 erstmals aufgeführt und anschliessend 55 Mal gespielt. Die vierzig Chorist*innen mussten häufig neu besetzt werden, da viele der Darsteller*innen in Vernichtungslager deportiert wurden. Auch Hans Krása wurde 1944 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Wir haben uns mit Abélia Nordmann, Leiterin des Kinderchors der Bühnen Bern und Kathrin Elmiger, Regisseurin des Stückes, über die Arbeit am Stück unterhalten.
Was interessiert euch an der Geschichte, die Brundibár erzählt?
Kathrin: Der Librettist Adolf Hochmeister möchte die Kinder auf der Bühne eine Solidaritätserfahrung machen lassen. Wie bei Bertold Brecht sollen die an der Aufführung beteiligten etwas erleben, das seine Wirkung über die Aufführung hinaus entfaltet. Der Wille, mit Theater Veränderung auszulösen, interessiert mich.
Abélia: In Brundibár ist Musik nichts Anderes als Widerstand. In der Geschichte ersingen sich die Kinder Hoffnung und Überleben und verschaffen sich Gehör. Sie schliessen sich mit den Tieren und allen anderen Kindern zusammen und werden durch das gemeinsame Singen stärker als das «Böse».
Wie ist Pepíčeks und Aninkas Geschichte vor dem Hintergrund ihrer Entstehung lesbar?
Kathrin: Sie lässt sich durchaus als Parabel auf die sich damals zuspitzende politische Lage und die Gefahr des Krieges lesen. Angesichts des aufkeimenden Faschismus kann man der Geschichte die Botschaft entnehmen, dass die Ohnmächtigen und Verfolgten hoffen dürfen, wenn sie zusammenhalten. Es gibt aber viele Lesarten, was auch den offenen und universellen Charakter der Geschichte ausmacht. Für die Kinder in Theresienstadt allerdings, hatte die Oper eindeutige Funktion und Bedeutung: Für sie war das Spielen und Singen eine Möglichkeit kurz ihr Elend zu vergessen und wenigstens auf der Bühne den Kampf gegen Hitler zu gewinnen.
Wie vermittelt ihr den historischen Hintergrund an Kinder im Publikum?
Kathrin: In unserer Inszenierung haben sich die Kinder auf der Bühne zum Ziel gesetzt, das «Böse» verschwinden zu lassen, welches immer wieder von den Erwachsenen Besitz ergreift und Kriege auslöst. So «proben» sie denn auch die Oper Brundibár, beobachten die Figuren in der Geschichte und bitten das junge Publikum um Hilfe, herauszufinden, was das «Böse» genau ist, damit sie es besiegen können. Schliesslich wollen sie, dass nie wieder Kinder in ein Gefängnis gesteckt und umgebracht werden.
Im Kinderchor singen Kinder im Alter von 7 bis 17 Jahren und für manche ist es das erste Mal, dass sie mit den Gräueltaten der Nazis in Berührung kommen. Wie bearbeitet ihr diesen Themenkomplex?
Abélia: Zu Beginn unserer Aufbauarbeit im Kinderchor vor anderthalb Jahren habe ich den Kindern Lieder von Ilse Weber beigebracht, die sich im Ghetto Theresienstadt um unzählige Kinder gekümmert hat und mit ihnen Musik gemacht hat. Unsere Kinder lieben diese Lieder und verbinden sich mit dem Trost, mit der Kraft und der Sehnsucht, die darin hörbar werden. So habe ich versucht, sie langsam und altersgerecht an den Kontext von Brundibár heranzuführen.
Kathrin: Wir betonen den Kindern gegenüber immer, dass unsere Produktion eine optimistische Haltung pflegt, solange die Menschen und insbesondere Erwachsenen dranbleiben, einander zu vergeben und die schmerzlichen Gefühle auszuhalten, die damit verbunden sind.
Warum ist es wichtig, diese Themen mit Kinder zu behandeln, sei es in eurer Arbeit oder mit unserem jungen Publikum?
Kathrin: Wir müssen das Bewusstsein dafür schärfen, welche Konsequenzen Hass und Schuldzuweisungen haben können, wenn sie nicht gelöst werden.
Abélia: Die Kinder sprechen oft davon, dass sie keinen Krieg wollen und verstehen nicht, warum er trotzdem immer wieder aufflammt. Sie haben Kinder aus Krisengebieten in ihren Schulklassen, in ihrer Nachbarschaft. Und auch im Alltag spielen die «grossen Themen» von Brundibár für sie eine Rolle: Viele erzählen von Hierarchien in ihren Klassen, von Mobbing, von Rassismus. Brundibár erinnert sie daran, wie wichtig Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung für sie als Einzelne und als Gruppe ist.
Was möchtet ihr dem Publikum und den Kindern, mit denen ihr arbeitet, mitgeben?
Kathrin: Genau jene Grundsätze; dass jedes Leben kostbar und wertvoll ist, dass es wichtig ist zu sich und zu jeglichem Leben Sorge zu tragen und auch, dass es möglich ist, seines eigenen Glückes Schmied zu sein, ohne andere deswegen degradieren oder verletzen zu müssen.
Abélia: Für mich transportiert die Musik von Brundibár eine unerschütterliche Hoffnung: Niemand ist zu klein, zu jung, zu wenige, zu leise, zu schwach, zu anders, zu wirkungslos, um sich dem «Bösen», dem Unrecht zu widersetzen – vor allem dann nicht, wenn wir uns zusammentun
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