Strålande jul – leuchtende Weihnacht: Hoch oben im skandinavischen Norden ist am 24. Dezember und den beiden Folgetagen manches ein wenig anders als auf dem Kontinent: Der Weihnachtsschinken bildet den kulinarischen Mittelpunkt, und wenn die Weihnachtsgeschenke ausgepackt sind, tanzt man die halbe Nacht um «Granen», den Weihnachtsbaum. Draußen leuchten die hellen Sterne am Nordhimmel («klara stjärnor») und dann ist es endlich soweit: «Nu så kommer julen», jetzt beginnt Weihnachten!
Die Julsånger op. 1 des finnischen Nationalkomponisten Jean Sibelius sind überwiegend in schwedischer Sprache geschrieben, denn als Finnlandschwede sprach Sibelius vorzugsweise schwedisch. Sie beschwören die Magie des nordischen Julfestes, diese wunderbare Mischung aus Weihnachten und einem Hauch vorchristlichem Brauchtums. Der Schnee, das Licht, die Dunkelheit, der Christbaum, alle Insignien der Weihnachtszeit erstrahlen in diesen Liedern in voller Pracht.
Weitere nordische Klassiker dürfen in einem weihnachtlichen Konzert der Stockholmerin Anne Sofie von Otter natürlich nicht fehlen: Jul, strålande jul stammt aus dem Jahr 1921. Wieder geht es um weiße Wälder, himmlisches Leuchten und Kirchen im schimmernden Lichterschein. «Bred dina vida vingar» ist ein Psalm der Dichterin Lina Sandell und wurde in Verbindung mit einer traditionellen Melodie zu einem schwedischen Abendlied. Die Volksweise «Klara stjärnor» (leuchtende Sterne) wurde vor allem durch den Jazzpianisten Jan Johansson bekannt. Zwei zeitgenössische Gegenstücke finden diese alten Lieder in dem Weihnachtlichen Wiegenlied des estnischen Gegenwartskomponisten Arvo Pärt und in Koppången, einem neueren schwedischen Satz über Stille, Schnee und weiße Weihnacht.
Mit Klavierwerken und Liedern von Gabriel Fauré, Cécile Chaminade (ihre Werke werden erst in den letzten Dezennien wiederentdeckt und in ihrem Wert erkannt!) und Johann Sebastian Bach setzt Anne Sofie von Otter weitere europäische Akzente. Vor allem aber geht es mitten hinein in die anglikanische und amerikanische Weihnacht. «I wonder as I wander» ist in Teilen ein Fundstück, das der amerikanische Komponist und Musikforscher Jan Jacob Niles in den 1930er Jahren von einer Reise durch North Carolina mitbrachte und in einem eigenen Folk Song verarbeitete.
In Henry Purcells «Cold Song» aus der Oper King Arthur geht es zwar nicht direkt um Weihnachten, dafür aber um Kälte, und die klingt durch die stockenden Akkorde und Einsatztöne klirrend kalt. Zu den Interpreten dieser frühbarocken Arie zählt Gordon Matthew Sumner alias Sting. Wie sehr Sting in der altenglischen Tradition wurzelt, verraten das melodisch an Johann Sebastian Bach anknüpfende «You only Cross my Mind in Winter» und «Gabriel’s Message». Auch Irving Berlin’s «I’ve got my love to keep me warm» greift das Thema Kälte auf, wenngleich unter gänzlich anderen Vorzeichen: «My heart’s on fire», das ist die Botschaft dieses weihnachtlichen Love Songs.
Im Jahr 1933 schrieb Benjamin Britten seine Chor-Variationen op. 3 unter dem Titel A Boy was Born. In der fünften Variation findet sich das «Corpus Christi Carol» auf einen Text aus dem frühen 15. Jahrhundert. Für den Knabensopran John Hahessy schrieb Britten später eine Liedfassung, die von zahlreichen Interpreten aufgegriffen und arrangiert wurde.
Eine besondere Geschichte verbirgt sich hinter den Weihnachtsliedern des US-amerikanischen Komponisten und Musikers Alfred Burt, denn sie dienten eigentlich nur als private Weihnachtskarten an die Verwandtschaft und wurden rein zufällig von der Gesangsgruppe The Blue Reys entdeckt. Heute sind sie aus der Vorweihnachtszeit in Amerika nicht mehr wegzudenken.
Zu Weihnachten 1943 veröffentlichte Decca Records eine Einspielung von Bing Crosbys «I’ll be Home for Christmas». In den schicksalsschweren Zeiten des Zweiten Weltkrieges brachte dieser Song die Sehnsüchte der Menschen nach einem friedlichen Weihnachtsfest auf den Punkt. Diese frohe Botschaft, die sich mit Weihnachten stets neu verbindet, ist auch der Kern eines vor vier Jahren erschienen Poptitels von Robbie Williams. «Fairytales» ist eine hoffnungsvolle Einstimmung auf Weihnachten unter dem Motto «We all believe in Christmas». Sie ist damit der perfekte Abschluss dieses vielseitigen Weihnachtsprogramms.