Multimediales Konzert
Bachs Kunst der Fuge zählt zu den Weltwundern der Musikgeschichte. In ihr kulminiert die Kunst des Kontrapunkts auf einzigartige Weise – oder mit den betont sachlichen Worten des ersten Bach-Biographen Johann Nikolaus Forkel: «Die Absicht des Verfassers war nämlich, anschaulich zu machen, was möglicher Weise über ein Fugenthema gemacht werden könne». Es gibt kaum ein Werk, über das so viel spekuliert, diskutiert und geschrieben wurde wie über die Kunst der Fuge, und dennoch bleibt dieses Spätwerk Bachs in vielem ein ewiges Rätsel: Warum wählte der Komponist eine so seltsam archaische Notation in Partitur mit einzelnen Stimmen? Für welche Instrumente sollte dieses Werk bestimmt sein? Gab es überhaupt einen konkreten Aufführungszusammenhang zu Lebzeiten des Komponisten?
Ein paar Antworten immerhin hat die Musikwissenschaft über die Jahrhunderte gefunden: Die Wasserzeichen der erhaltenen Autographe erlauben eine ungefähre Datierung auf das Jahr 1742. In diesem Jahr entstanden zwölf Fugen und zwei Kanons. Eine zweite Schaffensphase fällt in das Jahr 1746. Im Druck erschien das Werk ein Jahr nach Bachs Tod – mit nunmehr 24 neugeordneten Einzelsätzen. Vieles spricht dafür, dass die berühmte Fuga a 3 Soggetti, die fragmentarische Schlussfuge des Erstdrucks, ursprünglich nicht Teil der Sammlung war. Und die handschriftliche Anmerkung im Autograph («ueber dieser Fuge, wo der Nahme B A C H im Contrasubject angebracht worden, ist Der Verfaßer gestorben») ist nicht mehr als eine zwar wunderschöne, aber frei erfundene Legende hinaus in verschiedenen Variationen verwendet und in Doppel- und Tripelfugen mit weiteren Themen kombiniert. In so genannten Spiegelfugen werden alle Stimmen umgekehrt. Und die Kanons haben jeweils ganz eigene und höchst komplexe Gestaltungsprinzipien.
Bis heute gilt Bachs Kunst der Fuge als ein Werk, das sich vollends nur dem Analytiker erschliesst. Und genau hier setzt Insight Bach an: «Auf der einen Seite kann insight die Menschen dazu bringen, sich von dieser Erwartungshaltung zu lösen, alles verstehen zu müssen, was in Bachs Fugen passiert. Andererseits addieren wir eine zusätzliche, emotionale Komponente, die verstärkt, was wir selbst von der Kunst der Fuge denken, nämlich, dass es nicht nur eine geniale Komposition ist, die man bewundert, sondern auch tolle Musik, die man lieben kann», so Andreas Moscho.
2018 spielte das delian::quartett die Kunst der Fuge im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks ein. Wenig später stiess das Quartett auf eine konzertante Installation der Videokünstler Marc Molinos und Alberto De Gobbi. Sie gab den Anstoss für Insight Bach, das als ein synästhetisches Gesamtkunstwerk Bachs Musik um eine visuelle Ebene erweitert. Grundlage der Videoinstallation sind umfassende Analysen und eine graphische Algorithmisierung des thematischen Materials durch den Musikwissenschaftler und Komponisten Andrea Damiano Cotti. Sie visualisieren die musikalischen Entwicklungen in Echtzeit und werden kunstvoll kombiniert mit Felsenformationen, Korallen, abstrakten Farbflächen und vielem mehr. Auf diese Weise entsteht ein Gesamtkunstwerk ganz neuer Art.