Rachmaninow und «Kirmestänze» in einem Programm für Neue Musik? Das wirkt in der Tat «unvermittelt». Doch Heinz Holliger hat diese Werke bewusst ausgewählt: Es handelt sich um Rachmaninow und rheinländische Tanzmusik durch die Brille von Bernd Alois Zimmermann, einer der Galionsfiguren der musikalischen Avantgarde. Zimmermann schuf in den 1950er-Jahren sehr viel «Gebrauchsmusik» für den Rundfunk und wandte dabei bereits jene aparten Orchesterfarben an, welche für die grossen Partituren der Neuen Musik so wichtig werden sollten. Wohin diese Entwicklung geführt hat, kann man an «Utopia III» von Thomas Kessler erkennen. Alle Mitglieder im Orchester bedienen zusätzlich ein individuelles live-elektronisches Set-up. Damit spielt jede und jeder quasi ein zweites «Instrument in einer anderen Dimension», wie Kessler es nennt. Harrison Birtwistles Komposition «Panic» wurde schliesslich 1995 bei der legendären «Last Night of the Proms» in London aus der Taufe gehoben und dürfte auf viele im Publikum ebenfalls unvermittelt gewirkt haben. Saxophon und ein Jazz-Drum-Set geben diesem hoch-energetischen Werk den «Drive», die Soloparts werden – wie in den anderen Stücken –vom Trio Accanto übernommen, das seit den 1990er-Jahren für exquisite Darbietungen neuer Partituren sorgt.
Musikfestival Bern 2022 "unvermittelt"
Heinz Holliger I Trio Accanto