PROGRAMMÄNDERUNG aufgrund Erkankung beim Trio Gaspard
Die Fünf Stücke im Volkston op. 102 für Cello und Klavier, entstanden in Robert Schumanns produktivstem Jahr überhaupt, 1849. Hier ist in der von Schumann zu dieser Zeit so geliebten Duobesetzung das Ideal häuslichen Musizierens in der trauten Zweisamkeit geradezu mit Händen zu greifen. Aber ist dieser fast biedermeierlichen Schlichtheit zu trauen? Wohl kaum. Nehmen wir das vierte der Stücke: Wohl wird in dem scheinbar burschikos anhebenden Gesang im Cello der Volkston zitiert. Indes: Der derbe Gesang kreist in sich selbst, wiederholt stets zwei melodische Phrasen, gerät nicht zu einem in sich geschlossenen Lied. Der zarte Mittelteil ist dann von jedem Volkston weit entfernt. Und das Verklingen am Ende wird noch einmal vom Hauptmotiv von ein paar nüchternen Akkorden aufgefangen, nicht anders, ein humoristischer Schluss à la Jean Paul, wie man ihn sich auch beim frühen Schumann vorstellen könnte.
1808, im Jahr der «Pastorale», schrieb Beethoven seine beiden Klaviertrios op. 70. Mit ihnen befreite er die Gattung von dem unterhaltenden Charakter, den sie noch bei Mozart und Haydn gehabt hatte, und machte sie zu einer der musikalischen Hauptformen des 19. Jahrhunderts.
Dem D-Dur-Trio, op. 70, 1, gab er noch die traditionellen drei Sätze, bevor er die Gattung zur Viersätzigkeit erweiterte. Seinen populären Beinamen «Geistertrio» verdankt es den geisterhaften Tremoloeffekten und überraschenden dynamischen Kontrasten seines langsamen Satzes; doch steht der Name allzu sehr im Widerspruch zur Haltung der schnellen Ecksätze. Der erste, Allegro vivace e con brio, lebt vom Kräftespiel zweier Motive, die gleich zu Beginn exponiert werden: ein stürmischer Unisono-Anlauf und eine gesangliche Phrase des Cellos. Sie werden in der Durchführung zunächst nacheinander, dann gleichzeitig verarbeitet. Aus ihrem Gegeneinander entsteht nicht nur die kontrapunktische Dichte des Satzes, sondern auch seine ungeheure rhythmische Energie. Im Largo assai ed espressivo treten die Streicher zunächst mit fahlem Unisono einem charaktervollen Motiv des Klaviers gegenüber, das den ganzen Satz beherrscht. Allmählich löst sich der Klang in die beschriebenen «geisterhaften» Klangfarben, extreme Lagen und Dynamikwerte auf. Das Presto-Finale wird dagegen von Gesanglichkeit und Virtuosität beherrscht – mit extravaganten harmonischen Wendungen schon im Thema.
1915, mitten im Ersten Weltkrieg, begann Claude Debussy einen Zyklus von «Sechs Sonaten für verschiedene Instrumente», der jedoch nur bis zur dritten, der Violinsonate, gedieh. Ihr Zweck war die Verherrlichung der Musique française in Abgrenzung von der Musik der deutschen Spätromantik. Nichtsdestotrotz erinnert die Intimität des Dialogs an die Violinsonaten von Brahms: So gemahnt der Beginn des ersten Satzes, eine Violinkantilene im Dreiertakt über ruhigen Klavierakkorden, an Brahms’ erste Sonate. Melodische Gesten leuchten bruchstückhaft auf: eine spanisch gefärbte Fauxbourdon-Reihe, eine ungarische anmutende Violinrhapsodie. Das immer wiederkehrende Hauptthema mit seinen fallenden Terzen bildet das Band dieses ungezwungenen Satzes, der soweit wie nur möglich von der grossen Geste einer Virtuosensonate entfernt ist. Ein fantastischer Tanz (Fantasque et léger) fungiert als Intermezzo (Intermède). Nach kurzer einleitender Violinkadenz lösen Klavier und Violine einander mit lässig schlendernden Gesten ab, wie Spaziergänger auf einem Pariser Boulevard. Ein ruhigeres Seitenthema bringt eine sentimentale Note ins Spiel. Auch das Finale gewinnt erst aus rhapsodischem Beginn heraus Kontur. Debussy nannte diesen Satz ein einfaches Spiel über ein Thema, das sich um sich selbst wickelt wie eine Schlange, die sich in den Schwanz beisst. Der Vergleich beschreibt anschaulich das Poetische dieses Satzes, der dem freien Dialog eine übermütige Pointe gibt.
Antonín Dvořáks beliebtestes Werk für Violine, Violoncello und Klavier ist zwar der Besetzung, nicht aber der Form nach ein klassisches Klaviertrio. Dvořák selbst nannte es – als er es 1891, acht Jahre nach seinem f-Moll-Trio, veröffentlichte, ganz bewusst nicht «Klaviertrio Nr. 4», sondern schlicht Dumky, denn das Werk war für ihn lediglich eine Folge von sechs slawischen Stücken, die zwischen langsam-schwermütigen und schnell-ausgelassenen tanzartigen Abschnitten wechseln. Das Kontrastprinzip reichte Dvořák als Form in diesem Fall völlig aus. Auf diesem Prinzip beruht jeder der sechs Sätze in Dvoraks Opus 90, mit der Besonderheit, dass die ersten drei Dumky attacca ineinander übergehen, also eine Art zusammenhängenden Kopfsatz mit langsamer Einleitung bilden. Nach einer kleinen Pause folgen die beiden separaten Mittelsätze, quasi langsamer Satz und Scherzo, schliesslich das Finale.
Das «Dumky-Trio» stellt die Musiker vor ganz besondere Aufgaben, meinte einmal der berühmte Menahem Pressler (Beaux Arts Trio): «Das Besondere ist – das Gefühl. Dumky ist doch eine Art slawischer Erzählung, die traurig und doch tanzend ist und dann wieder traurig endet – zumindest in Gedanken.»